Bericht vom HSH Cup, ein Event der besonderen Art.

Der Offshore-Regattakalender hier auf der Ostsee ist wieder um ein Highlight reicher geworden, denn mit der Ausrichtung des HSH Nordbank Cup wird der früher Blueribboncup mit neuem Leben erfüllt und noch erlebnisreicher und hochkarätiger. Die Regatta wird in Kiel gestartet, und geht rechts um Seeland herum nach Skoveshoved, von dort zurück nach Kiel, ursprünglich dazu gedacht, die dänischen Segler zur Kieler Woche „abzuholen“. Die Distanz beträgt insgesamt ca. 320 Seemeilen.

Christian und Max Howaldt

Mannschaft:
Christian Howaldt VsaW, Eigner und Navigator
Bernt Bresse, KYC, Skipper
Max Howaldt, VsaW, CoSkipper
Rudi Fehres; NRV, Vorschiff
Peter A. Maas, Trimmer

Wir meldeten zu unserer erste Offshore Regatta mit unserer neuen First 36.7 „MARIE“, unter dem Stander des VSaW segelnd, ein von Bruce Farr gezeichneter moderner und schneller Cruiser Racer, Weltmeister in der IMS Klasse 2.
Mein Onkel, Dr. Peter Lubinus KYC, hatte mich vor 2 Jahren schon einmal – als Mannschaft - zu dieser Regatta eingeladen, die direkt in der Innenstadt von Kopenhagen vor dem HSH Bankgebäude enden sollte. Veranstalter dieser Regatta sind gemeinsam der Kieler Yacht-Club (KYC, Kiel) und der Kongelig Dansk Yachtklub (KDY, Skovshoved).
Die Teilnahme zahlreicher sehr erfolgreicher Yachten der IMS Klassen I und II sowie ORC wurde angekündigt, so die UCA, die HSH Nordbank, die neuen IMX 45 Yachten Alice und Varuna, die anlässlich der DCNAC Regatta auf dem Nordatlantik in diesem Jahr schon für Furore sorgten und zahlreiche weitere bekannte Yachten der deutschen Hochseesegelszene versprachen ein spannendes Rennen.

Der Start fand am Mittwoch, den 20.8.2003 um 20 Uhr bei allmählich untergehender Sonne vor der Kulisse des KYC bei West 3 – 4 in 2 Gruppen statt. Das Startverfahren wurde vom Jachtredakteur Jochen Halbe einer großen begeisterten Zuschauermenge kommentiert, so auch die Hinweise, daß eine Yacht immerhin unter dem Stander des VSaW sich bei dieser Offshore Regatta dem Wettbewerb stellt.

Die besondere Aufmerksamkeit lag auf den MaxiRacern HSH Nordbank und UCA, die hier erstmals direkt aufeinander trafen und spannende Duelle versprachen.

Denn das ursprüngliche Duell im Nordatlantik anlässlich des DCNAC konnte wegen technischer Probleme nicht stattfinden. Die UCA ist die größte jemals in Deutschland gebaute Rennyacht (390 m² Segelfläche am Wind, 4,5 m Tiefgang, 26 m lang, Speed von 30 kn „normal“), die HSH ist geringfügig kleiner.
Wir kamen im Start um 20 Uhr gut weg und wurden dann schon am Friedrichsorter Leuchttum von den 5 Min nach uns gestarteten MaxiRacern und Yachten der IMS Klasse 1 eingeholt. Wir konnten einen
kleinen Luvkampf denn doch nicht lassen; so war es ein faszinierendes Erlebnis, die HSH Nordbank mit dreifacher Geschwindigkeit (!) 5 m in Lee durchrauschen zu sehen.

In Höhe des Kieler Leuchtturms begann eine lange, dunkle Nacht auf der westlichen Ostsee bei ca. 4 – 5 Beaufort. Der Kapitän eines Containerfrachters, der – von steuerbord kommend - in das Regattafeld lief, muss wohl am Radarschirm schier verzweifelt sein, denn die Maxiracer liefen lautlos mit 20 – 25 andere mit 8 Knoten auf ihn zu..., er stoppte genervt auf, was sollte er auch tun und rotierte an seinem Frontstrahler immer weitere Yachten entdeckend.
Unsere Taktik war, an Langeland links dicht unter Land zu segeln, um den Nehrstrom bei westlichen Winden auszunutzen und um dann in Höhe der großen Belt Brücke einen deutlichen Vorsprung herauszusegeln. Dabei galt es in der dann sternenklaren Nacht auf Heringszäune zu achten...(die wir im Abstand von 20 m passierten und die leider unbeleuchtet waren)
Leider kam es anders, denn auf der östlichen Seite des Belts war zwar sicherlich 0,5 kn weniger Gegenstrom aber sicherlich 2 Beaufort mehr Wind, sodass diese Taktik zwar gut bedacht aber im Ergebnis falsch war.

Im Morgengrauen fanden wir uns am Ende des Feldes – weit auseinandergezogen – wieder, mit zwei Eintonnern lieferten wir uns unter Genacker spannende Positionskämpfe. Fröstelnd hingen wir alle außenbords, an ein gemütliches warmes Frühstück – wie ich es mir als Eigner vorstellte – war nicht zu denken.

Die Große Belt Brücke passierten wir – vorher hatten wir uns über Kanal 11 bei Great Belt Traffic vorschriftsmäßig angemeldet – gegen 9 Uhr bei stetig zunehmendem Wind. Bei Roesnes Puller hatten wir schon um ca.18 Knoten Wind, der sich dann bis Seelands Rev – jetzt im Kattegatt - auf ca. 25 Knoten steigerte. Dort war die Zeit zu nehmen und zu halsen, sodass wir dann mit Wind von Steuerbord ca. 15 Meilen nördlich Langelands entlang rasten bei immer zwischen 20 und 25 Knoten Wind, obwohl der Genacker nur bis 20 Knoten Wind verträgt. Aufmerksames, konzentriertes Segeln war sehr wichtig, um Segel und Schiff nicht zu gefährden, aber Segeln der super sonder Klasse. Wir fuhren den Genacker am Baum max. 10 – 15 ° in Luv und erreichten so – teilweise im Dauersurf –15 -16 Knoten. Nach 5 Stunden erschien endlich die schwedische Westküste im Dunst, wir näherten uns also dem Öresund. Die Hafeneinfahrtstonne von Gilleleje war ebenfalls ein Wendepunkt und so ging es dicht unter Land auf der Küstenverkehrszone zur engen Fährlinie Helsingör – Helsingborg. Wir waren natürlich glücklich, endlich in die Landabdeckung zu kommen, aber ablandige Böen erlaubten auch hier keine warme Mahlzeit. Als wir dann bei Helsingborg „um die Ecke kamen“ knallte wieder der Wind mit 6 Beaufort und wir mussten auf die GIII reduzieren unserer Konkurrenten unmittelbar vor uns.

Zur Zeitnahme meldeten wir uns über UKW auf Kanal 73 an und wurden gegen ca. 22:30 Uhr vor dem Clubhaus des Königlich Dänischen Clubs gezeitet. Vollkommen fertig banden wir das Schiff in Skoveshoved fest, immerhin hatten wir alle ca. 30 Stunden nicht geschlafen und bei diesem Wind schwere Arbeit geleistet. Kurz danach lieferte uns der Sponsor ein exzellentes Abendessen an Bord, danach fielen wir in Tiefstschlaf.

Am nächsten Morgen liefen wir auf Bitten der HSH Bank alle um 9 Uhr aus Skoveshoved aus, um die Innenstadt-Brücken Kopenhagens gegen 10:30 passieren zu können. Hinter den Kopenhagener Stadtbrücken, die wieder eigens für die Teilnehmer geöffnet werden, und vorbei an der Kopenhagener Skyline wartet die dänische Niederlassung der HSH Nordbank und ihre phantastische Betreuung auf uns hungrige und durstige Segler, die ja noch nicht einmal gefrühstückt hatten. Von dem Liegeplatz direkt in der Innenstadt erreicht man nach fünf Minuten Fußweg das Tivoli.

Am Abend lud dann die HSH Bank zu einem Empfang zu Ehren der deutschen Segler und anschließend zu einem exzellenten Buffet mit Lachs, Rinderfilet Mousse auch Chocolat ein, wie man es sich schöner nicht vorstellen kann. Ich erinnerte mich an Euros und Distriktmeisterschaften, gesponsert von Tuborg, aber die HSH Bank stellte alles in den Schatten. Gegen Mitternacht verholten wir uns in die Koje, wohl als erste, denn noch eine Mütze Schlaf vor der langen windigen Rückregatta musste sein.

Der kommende Morgen weckte uns schon mit Schauerböen. Schaumkronen schon in den niedrigen Grachten der dänischen Metropole ließen nur ahnen, was da draußen vor den Toren Kopenhagens auf freier See „los“ ist. Das Schiff wurde seefest gemacht, alle Seeventile geschlossen und alles – was nicht niet- und nagelfest war – sicher verstaut. Sodann verließen wir den Liegeplatz vor der HSH Bank, die ein so hervorragender Gastgeber war durch die Innenstadtbrücken Kopenhagens und brachten den morgendlichen samstäglichen Verkehr zum Stillstand.
Im Hintergrund die UCA und die HSH Nordbank beim Passieren der Innenstadtbrücken Kopenhagens.
Schon vor dem Start gab es die ersten „Sonnenschüsse“ und die UCA – man glaubt es kaum - hatte sogar ein Reff eingebunden.
Nach einer kurzen Verzögerung im Startverfahren gingen beide Felder auf die lange Reise nach Kiel zunächst in der Landabdeckung der Kopenhagener Industrie, entlang dem malerischen Dragör und dann kam die Hanö Bucht. Die Faksebucht, die wir halbwinds teilweise im Surf alle außenbords hängend durchpflügten, war schon heftig, denn eine Zyklone jagte die nächste.
Wir lagen gut im Rennen, konnten eine X 362 – die uns eigentlich vergütet – locker überholen. Aber die Arme wurden lang und länger und der Wind nahm immer mehr zu in der Spitze auf 8 Beaufort,
also eine enorme Belastung für das Material und die Mannschaft. Da man am Achterliek immer die 50 Euro Scheine davonflattern sah, wurde dann auch ein 2. Reff eingebunden.

Ich freute mich auf die Südspitze der Insel Moen – Moensklint -, denn hier hatten wir sonst immer Landabdeckung und konnten dann schnell noch mal was Warmes in den Magen bekommen. Kaum hatten wir Moens Klint aber erreicht, nahm der Wind zwar ab, aber Fallboen ließen die Würstchen, die ich auf dem Feuer hatte, erst mal durch das ganze Schiff fliegen. Mit Essen war also nichts, wieder rauf auf die Kante... Am liebsten wäre ich nach Rödvig abgebogen, weil es dort so ein schönes Fischgeschäft gibt mit stets frischen Bornholmer Ostseelachs...na ja, wir sind ja Sportler...

Hinter Moensklint konnte der Wind wieder ungebremst unser Schiff erfassen und wir pflügten nun hoch am Wind auf Gedser zu (ein Anlieger, denn wir hatten ja Wind aus 270 °). Unsere Konkurrenten hatten wir vor Augen, auch Yachten der IMS Klasse 1 waren kaum 5 Meilen vor uns, wir mussten also sehr gut liegen. Mit immer noch böigen 6 Beaufort, in Boen sicherlich mehr und eine – da hier ablandig – relativ flache Welle von 1 m rasten wir durch die lauwarme Ostsee, lt. Bordcomputer immer noch 22 ° Wassertemperatur. Gedser hatte war als Wendepunkt eingegeben und die Daten wurden nach oben gebeamt, sodass wir nach der untergegangenen Sonne den Wendepunkt Gedser Rev problemlos auf den Punkt fanden, denn die Tonne war ja nicht beleuchtet, hatte also keine Kennung. Plötzlich erschien die Tonne in der aufziehenden Nacht vor uns. Wir rundeten und hatten nun bei Wind aus 270 ° und Beaufort 6 und einer Welle von sicherlich 3 m die Ostsee vor uns und das Ziel – mit dem Kieler Leuchtturm exakt 60 Meilen in Luv. Auf uns kam also die „Nacht der langen Messer“ zu, denn beim Runden der Tonne in Gedser waren wir alle schon fix und fertig.

Wir wollten zunächst auf die östliche Seite gehen, da wir nach rechts wegen des großen Windparks vor Gedser nicht sauber kreuzen konnten. In Lee der Insel Fehmarn wollten wir zurück auf Lolland wenden und dann die für den Morgen angekündigte Drehung auf NW nutzen, um mit einem Anlieger ins Ziel zu gehen, so die Theorie....
Es schien kein Mond, die Nacht war rabenschwarz. Plötzlich näherten sich von Lee „grün-weiss-weiss-rot“ Vorsicht tut also not! Ein größerer Frachter näherte sich auf Kollisionskurs, obwohl wir außerhalb des Fahrwasser und außerhalb des Verkehrstrennungsgebietes „Kadett Rinne“ waren. Als auch nach 5 Minuten die Peilung immer noch stand, wurde ich denn doch nervös und als wir nach weiteren 2 Minuten die Siluette dieses Riesen in der Nacht nur zu erahnen war und noch ca. 300 m bis zur Kollision blieben, musste schnellstens gehandelt werden. Ich sprang unter Deck und bat das Schiff über UKW Kanal 16, sich als Überholer und gegenüber einer Segelyacht doch bitte freizuhalten und uns – mit etwas mehr Abstand - an unserer „port side“ zu passieren. Man konnte schon an der Geräuschkulisse der Antwort entnehmen, daß hier jemand ruhig und gemütlich in seiner warmen Funkkabine saß. Wahrscheinlich blickte er wohl kurz vom Fernseher auf und schlürfte seinen Kaffee. Jedenfalls bedauerte er, uns im Radar übersehen zu haben.
Wir wünschten uns eine gute Wache und die Ausmaße dieses Riesen wurden erst klar, als er nach Backbord dreht und an unserer Backbordseite in die stürmischen Nacht verschwand. Glück gehabt, der merkte wohl nichts.
Gegen 2 Uhr wollte ich den Computer auf unsere Position kurz prüfen, und balancierte unter Deck und nahm gleich eine Schwall Seewasser mit. Max folgte und bemerkte, daß ein metallener Gegenstand gegen das Rigg schlug und einen enormen Lärm verursachte. Ich nahm das nicht weiter ernst, aber Max bestand darauf, auf allen Vieren auf das Deck zu balancieren und mit einem Strahler das Rigg zu überprüfen. Lifebelt also eingeklinkt und aufs Vordeck. Tatsächlich, das Diamond zwischen 2. und 3. Saling hatte sich auf beiden Seiten gelöst, war an Backbord ganz abgesprungen. Eine Wende auf Steuerbordbug hätte sicherlich das ganze Rigg destabilisiert. Ca. 8 Meilen südlich von Fehmarn ohne Wendemöglichkeit nach Steuerbord bei 270 ° Grad Windrichtung ist eine schwierige Situation. Max ins Rigg zu schicken und zu versuchen, den Schaden zu beheben, bei 3 m Welle und ohne Maschine, nachts, bei Erschöpfung, erschien mir seemännisch verantwortungslos zu sein. Also Abbruch, Maschine an und mit 2. Reff im Groß als Stützsegel in die Landabdeckung von Fehmarn motort, war die richtige Lösung. Wir bargen die 3 DL Fock von North und stellten fest, daß sich das Achterliek dieser stabilen 3 DL Fock regelrecht atomisiert hatte.
Natürlich hatten wir auch den Hafenführer von Bord genommen, denn wir wollten ja nicht auf einen Urlaubstörn gehen, so verließen wir uns bei Ansteuerung und Hafennavigation allein auf das Navigationsprogramm unserer Computers. Wir erreichten durch die vielen Richtfeuer Burgtiefe, legten dort gegen 3: 30 Uhr an, schliefen 2 Stunden, schickten dann Max in den Mast, der reparierte den Schaden und setzten durch die Fehmarnsundbrücke die Reise nach Kiel fort.

Wir erreichten Kiel gegen 18 Uhr, bei leichten – nun endlich doch - nordwestlichen Winden, wolkenlosem Himmel unter den Bordklängen der Old Merry Tale Jazzband mit 2 x 80 Watt im Cockpit und waren glücklich, diese Strapazen ohne größere Schäden an Mannschaft und Schiff überstanden zu haben.


Fazit:
Eine Regatta wird an Land gewonnen, wir hätten uns mit mehr Zeit mit der Vorbereitung nehmen müssen (aber alle im Job....) Auf jeden Fall im nächsten Jahr wieder, denn es war eine hervorragend organisierte Langstrecken Regatta mit hochkarätiger Beteiligung und einem erstklassigen Sponsor. Das Segelmaterial ist hervorragend, aber die Mannschaft ist nach solchen Strapazen „fertig“, wenn nicht ausreichend Getränke und leichte Nahrung an Bord ist. Zwar sind viele Mannschaften „durchgesegelt“, aber ein vernünftiges Wachsystem hätte zur Folge, daß solch eine Regatta für alle nicht zur Strapaze wird. Es ist nicht notwendig, an die physische Leistungsgrenze zu gehen, wir sollten die Mannschaft dann doch lieber auf 7 Personen aufstocken und das Wachsystem konsequent einsetzen.


GER 5250
Christian Howaldt, VSaW
Max Howaldt, VSaW